Aufstieg und Fall der Pressefotografie im Spiegel von Revolutionen
Die Pressefotografie
In den vergangenen hundert Jahren hat der Iran zwei schwerwiegende Revolutionen und eine so genannte Medien-Revolution erlebt. Auf der einen Seite besitzt das Land 10% der Energiereserven der Welt und verfügt über eine strategisch wichtige geografische Lage, andererseits nimmt der Iran eine hohe Position als ein wichtiges Land innerhalb der islamischen Welt ein. Diese Gründe führten dazu, dass der Iran immer im Fokus des Interesses der Welt gestanden ist. Auch die iranischen Medien erlebten in den letzten hundert Jahren eine wechselvolle Geschichte zwischen Aufschwung und Niedergang.
Die Pressefotografie ist auch proportional zur Geschichte ein Opfer der schwerwiegenden Ereignisse: von der Tötung Mirza Javad Khan Akkas´ während der Konstitutionellen Revolution vor etwas mehr als hundert Jahren bis zur Unterdrückung von Pressefotografen im Jahre 2009 im Anschluss an die Präsidentschaftswahlen. Der vorliegende Artikel wirft einen Blick auf die Entwicklungen der Pressefotografie im Iran in den dreißig Jahren nach der iranischen Revolution.
Die Revolution von 1979
Die Wichtigkeit von Ereignissen wie die der Revolution im Jahre 1979 war der Grund dafür, dass Nachrichtenagenturen so viele Informationen wie möglich aus dem Iran haben wollten. Zeitgleich mit der Ausbreitung der Revolution wurden viele Fotografen und Journalisten in den Iran geschickt. Aber das Übergreifen der Wellen der Revolution auf alle Stadtviertel der Hauptstadt und alle anderen iranischen Städte, veranlasste die ausländischen Nachrichtenagenturen dazu, auf einheimische Fotografen zurückzugreifen. Dies wiederum führte dazu, dass eine Anzahl junger Fotografen neben ihrer Mitarbeit bei iranischen Medien, auch für ausländische Zeitungen und Zeitschriften zu arbeiten begannen. Diese jungen Fotografen, die die Ereignisse der Revolution in Bildern festhielten, zählen heute zu den bekanntesten Vertretern ihres Berufsstandes im Iran; während andere sich weiter hinaus wagten und ihre Arbeit auch im Ausland verwerteten und dadurch berühmt wurden. Die Zeit der Revolutionsfotografie kann als historischer Entwicklungssprung in der Geschichte der Pressefotografie im Iran bezeichnet werden.
Kurze Zeit nach dem Sieg der iranischen Revolution, ergriffen religiöse Geistliche die politische Macht und begannen Oppositionelle zu unterdrücken. Die Mitglieder der politischen Parteien und deren Anhänger kamen ins Gefängnis und eine Hinrichtungswelle überzog das Land. Auch die Medien waren von dieser Unterdrückung nicht ausgenommen, da ein Journalist als Hemmholz zwischen den Rädern der Unterdrückungsmaschinerie des neuen Systems angesehen wurde. Das berühmte Foto „Hinrichtung in Kurdistan“, das im Jahre 1980 von Jahangir Razmi aufgenommen wurde, ist ein deutliches Beispiel dafür. Dieses Foto, das vermittels der Presseagentur „United Press“ um die Welt ging, wurde aus Sorge um das Leben des Fotografen anonym veröffentlicht und gewann im selben Jahr den Pulitzer-Preis (für Spot News Photography). Der Name des Fotografen blieb bis ins Jahr 2007 unbekannt, als ein Journalist des „Wall Street Journals“ dieses Geheimnis lüftete. Es handelte sich um das erste und einzige anonyme Foto in der Geschichte des Pulitzer-Preises.
In Folge der Unterdrückung der Medien emigrierten einige Fotografen ins Ausland und verfolgten ihre beruflichen Ziele in verschiedenen Ländern, wie z.B. Reza Deghati, ein berühmter Fotograf der Zeitschrift „National Geographic“ oder Abbas Attar, ein berühmter Fotograf der Agentur „Magnum“. Andere bevorzugten es zu schweigen und nicht ihr Leben aufs Spiel zu setzen und eine geringe Zahl von Fotografen blieb auch im Land und setzte ihre Arbeit fort. Zu letzteren kann Kaveh Golestan gezählt werden, der sein ganzes Arbeitsleben lang Druck von verschiedenen Seiten ausgesetzt war. Fast zehn Jahre lang arbeitete er als Fotograf für die Zeitschrift „Time“, in weiterer Folge als Korrespondent der „Associated Press“ (AP) und später als Kameramann für die gleiche Agentur und schließlich als Korrespondent und Kameramann für die BBC, bis er 2003 im Irak von einer Mine getötet wurde.
Der achtjährige Krieg gegen den Irak
Als zwei Jahre nach der Revolution der Irak den Iran angriff und somit einen achtjährigen Krieg auslöste, kamen Fotografen aus beruflichen Gründen an die Kriegsschauplätze. Aber nach der Einrichtung eines Kriegspropagandastabes, fiel das Kommen und Gehen von Fotografen auch unter die Kontrolle der Regierung. Einer Anzahl von Fotografen wurde ihre Arbeit an der Kriegsfront verboten. Zu gleicher Zeit wurden einige Fotografen als „Spion“ bezeichnet, eine Bezeichnung, die bis heute noch gegen Journalisten angewendet wird, deren Art der Nachrichtenverbreitung von der Islamischen Republik nicht gebilligt wird. Die Schaffung des Kriegspropagandastabes, in der einflussreiche Männer der Regierung ihren Sitz hatten, legte fest, dass alle von den Schlachtfeldern des Krieges verbreiteten Bilder, die der Kriegspropaganda der Regierung nicht entsprachen, zensuriert wurden und alle Fotos durch Filter der Regierung laufen mussten. Der Umfang dieser Zensur führte dazu, dass nach Meinung einiger Kriegsfotografen, die Kriegsdokumentation nicht zufrieden stellend durchgeführt werden konnte und durch die Zensur Schaden erleide. In dieser Zeit hatten einige Fotografen auch große berufliche Probleme, aus deren Menge Alfred Yaghub-Zade genannt werden muss, der den Iran verließ und später zu einem wichtigen Fotografen der Bilderagentur „Seipa“ wurde.
Fast ein Jahrzehnt nach dem Ende des Iran-Irak-Krieges ereignete sich für die Pressefotografie im Iran nichts Erwähnenswertes und alles blieb unter der Kontrolle der Regierung.
Die Zeit der Reformen
Der Sieg des reformorientierten Geistlichen Mohammad Khatami in den iranischen Präsidentschaftswahlen im Jahre 1997 brachte die Pressefotografie wieder einen Schritt nach vorne. Die frisch an die Macht gekommenen Reformer verwendeten Parolen wie „Zivilgesellschaft“ und bewegten sich in Richtung einer Verbindung zwischen verschiedenen Gesellschaftsschichten über die Medien. Eine große Zahl von Zeitungen und Zeitschriften schoss wie Pilze aus dem Boden. Darüber hinaus erlangte langsam das Internet seinen Platz in allen Schichten der Gesellschaft. In dieser Zeit wurden an zwei wichtigen staatlichen und an einer privaten Kunstuniversität in Teheran Fotografiestudenten ausgebildet. Die große Zahl der Medien und der Bedarf an Pressefotografen führten dazu, dass einige, die ein solches Studium abgeschlossen hatten und im Vergleich zu der vorangegangenen Generation mit offeneren Augen als Fotografen tätig waren, ihren Weg zu den Medien fanden. Es darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass viele von Meistern ausgebildet wurden, die selbst zwanzig Jahre vorher zu den Revolutionsfotografen gehört hatten.
Bahman Jalali und Kaveh Golestan waren zwei Fotografen, die gebührenden Anteil an der Ausbildung dieser Generation hatten.
Die Gedanken, das Wissen und der Blickwinkel dieser frisch Ausgebildeten verliehen der iranischen Pressefotografie neues Leben. Die Qualität der Pressefotos konnte im Vergleich zu früheren Jahren erhöht und auf einen höheren Standard gehoben werden. In dieser Zeit wurden zahlreiche beeindruckende Bilder aufgenommen, die als Symbolfotos einer geschichtlichen Epoche bezeichnet werden können. Zu gleicher Zeit kam es zu verstärkter Zusammenarbeit zwischen iranischen Nachrichtenfotografen und ausländischen Medien.
Aber wie in den Zeiten zuvor, war es nicht leicht, als Nachrichtenfotograf zu arbeiten. Die Gerichtsbarkeit der Islamischen Republik, die in den Händen der Konservativen lag, und der ein reformorientierter Präsident ein Dorn im Auge war, begann zahlreiche Medien zu verbieten. Es verging kein Tag, an dem nicht von der Schließung einer Zeitschrift zu hören war. Die iranischen Medien gaben zu dieser Zeit Sa’id Mortezavi, einem jungen Richter, den Beinamen „Schlächter der Medien“. Dieser junge Richter, der sich im Verbot von Medien hervortat, wurde schließlich unter der Präsidentschaft von Ahmadinezhad in den Rang des obersten Staatsanwaltes in Teheran erhoben.
Aus diesem Grund gründeten die Reformer ständig neue Zeitungen. Die Pressefotografen wurden ebenso ständig von einer Zeitung beurlaubt und von einer neu gegründeten übernommen.
Die große Bedrohung der Pressefotografen blieb wie früher bestehen und mit verschiedenen Mitteln wurden Anstrengungen unternommen, sie an der Fortführung ihrer Arbeit zu hindern. Diese Bedrohung erreichte in den Ereignissen des 9. Juli 1999 ihren Höhepunkt, als Provokateure der Regierung nachts in das Studentenwohnheim der wichtigsten iranischen Universität eindrangen und die Studenten beschimpften und verprügelten. Die Fotos, die von jenen Ereignissen im Iran und in aller Welt gedruckt wurden, waren die Arbeit eben jener Absolventen des Fotografiestudiums, die für die Zeitungen der Reformer arbeiteten. Der tiefgehende Eindruck dieser Fotos wurde zu einer neuerlichen Bedrohung, die sich gegen die Fotografen richtete. Die achtjährige Zeit der Reformer kann zweifellos als historischer Entwicklungssprung für die Pressefotografie in den 30 nachrevolutionären Jahren bezeichnet werden.
Die Rückkehr des Fundamentalismus
Der Beginn der Zeit mit fundamentalistischen Präsidenten, wie Mahmud Ahmadinezhad brachte eine Stagnation für die Pressefotografie. In dieser Zeit wurde versucht, die Möglichkeiten der Fotografen immer weiter zu begrenzen. Die Zahl von Fotografen, die zu offiziellen Veranstaltungen eingeladen wurde, wurde verkleinert. Die Anwesenheit von wichtigen Nachrichtenagenturen der restlichen Welt wurde begrenzt.
Die politischen Bestrebungen der Republik auf Intensivierung der Bildzensur, angesichts der stärkeren Gewichtung des Bildteiles in der gesamten modernen Nachrichtenlandschaft, führten zu verstärkten Bemühungen, die gefilterten und von der Regierung genehmigten Bilder auch anderen Medien anzubieten. Nachrichtenagenturen wie „Reuters“, „Associated Press“ und „France Press“ wurden gezwungen, einen bestimmten Anteil von Fotos aus von der Politik genehmigten Quellen zu veröffentlichen.
Im Bereich der Führung des Systems spielte sich alles seit langer Zeit in ganz ähnlicher Weise ab.
Die Medien-Revolution
Für die zehnten Präsidentschaftswahlen nach der Revolution wurde, neben zwei Kandidaten der Reformer, wieder Mahmud Ahmadinezhad für den Wahlkampf nominiert. Dieses Mal kamen auch viele ausländische Journalisten und Fotografen ins Land. Die einheimischen Fotografen arbeiteten sowohl für inländische, als auch für ausländische Medien. Für gewöhnlich öffnet die Islamische Republik vor jeder Wahl den Raum für die Nachrichtendienste weiter als zu normalen Zeiten, auch um der Gesellschaft größere Leidenschaft einzuflößen und somit mehr Menschen zur Stimmabgabe an den Wahlurnen zu locken. Diesmal jedoch entflammte ein heftiger Wettstreit zwischen den Reformern und Fundamentalisten und mit jedem Tag wurden die Wahlkampfkampagnen heftiger. Die Fundamentalisten, die unter einer Neuerung verstanden, dass sie die Wahl gewinnen würden, bekamen langsam Angst, und eine Woche vor Ende des Wahlkampfs wurde bekannt, dass der Kandidat der Reformer, der davor in der Zeit des Iran-Irak-Krieges Premierminister gewesen war, Ahmadinezhad weit überlegen sei. Mir Hossein Moussavi verwendete seine Slogans „Veränderung“ und „Grüne Farbe“, die bis dahin in dieser Art im Iran nicht üblich waren, und hatte vor allem unter Jugendlichen Anhänger. Die Nachrichtenfotografen konnten in dieser Zeit in Ruhe arbeiten. Am Tag der Wahl standen alle Zeichen auf Sieg des Mir Hossein Moussavi. Am nächsten Morgen aber titelten die Zeitungen den großen Sieg des Mahmud Ahmadinezhad. In der Hauptstadt herrschte angespannte Ruhe. Aber es herrschte ein unzufriedenes Flüstern über die Auszählung der Wählerstimmen. Mir Hossein Moussavi und Mehdi Karubi, der andere Kandidat der Reformer, beschuldigten das Innenministerium und das „Heer der Bewahrer der Islamischen Revolution“ (Pasdaran) der Wahlfälschung und riefen die Menschen auf, ihren Protest auf der Straße zu zeigen. Nach einigen Tagen wurden die Straßen der Hauptstadt und anderer iranischer Städte zum Schauplatz von Protestschweigemärschen und Demonstrationen. Aber die Regierung duldete die friedlichen Proteste nicht und antwortete darauf mit Gewalt.
Die Pasdaran zusammen mit den Ordnungskräften und den Widerstandskräften der Basidsch gingen gegen die Demonstranten vor. Die Nachrichtenfotografen waren in dieser Zeit schon aufgrund ihres Berufes aktiv. Als die Nachrichten von der offiziellen Gewalt der Regierung auf den Titelseiten internationaler Medien veröffentlicht wurden, waren es diese Bilder und Filme, die die größten Informationsträger waren. Der gleiche Faktor verursachte, dass die Nachrichtenfotografen in die Schusslinie der Regierung gerieten. Die Visa der ausländischen Fotografen wurden nicht verlängert. Sie wurden angewiesen, in ihren Hotelzimmern zu bleiben und in einer bestimmten Frist den Iran zu verlassen, da die Regierung wusste, dass ein Konflikt mit ihnen sehr kostspielig (schwerwiegend) werden könnte. In einem Fax des ausländischen Pressebüros wurden die einheimischen Fotografen, die für ausländische Agenturen Fotos aufgenommen hatten, gebeten für neue Aufnahmen auf die Straßen zu gehen. Obwohl ein Teil der der Regierung bekannt gewordenen Fotografen ihre Arbeit verloren, blieben andere beschäftigt. Im Laufe dieser gewalttätigen Tage wurden viele Fotografen verprügelt und verhaftet, viele Fotoapparate und Objektive beschlagnahmt oder zerbrochen, sofern die Fotografen sich mit einem Klappmesser gegen die Angreifer zur Wehr setzen. Drei Fotografen verblieben monatelang im Gefängnis.
Aber alle diese Gewalttaten und sogar die Vernichtung der Bilder der Fotografen und Journalisten, konnte die Verbreitung der Nachrichten nicht verhindern. Die Menschen auf den Straßen übernahmen die Arbeit der Fotografen. Die Demonstranten nahmen jedes Ereignis an all jenen Schauplätzen auf, wo möglicherweise keine Fotografen mehr arbeiteten. Die Mobiltelefone, die die Menschen bei sich hatten, waren der Ersatz für die Filmkameras oder Fotoapparate und ermöglichten es, dass die Ereignisse in der Welt bekannt wurden. Die Website „YouTube“ wurde gefüllt mit Filmen der Polizeigewalt gegenüber Demonstranten und „FaceBook“ und „Twitter“ wurden der Ersatz zu den Medien, die die Menschen über die Ereignisse informierten. Alle diese Websites wurden von der Regierung gefiltert. Zu manchen Zeiten war sogar der Zugriff auf die Mailadressen von Google und Yahoo nicht möglich. Alle diese Maßnahmen waren aber trotzdem nicht wirksam und Gruppen junger Iraner fanden immer Wege, Nachrichten zu verschicken. Das letzte Hilfsmittel der Regierung war die Herabsetzung der Übertragungsgeschwindigkeit des Internets bis zu einem Grad, dass das Arbeiten mit diesem nicht mehr möglich war.
Von Seiten der großen Medien der Welt wurde die iranische Massenbewegung im Versenden von Nachrichten als Medien-, Facebook- oder Twitter-Revolution bekannt.
Nach dieser Zeit blieb die Nachrichtenfotografie in Stagnation und sogar das Tragen einer von den Schultern herabhängenden Kamera war gefährlich und der Träger konnte zu mehreren Verhören gebracht werden. Mehr als zehn Nachrichtenfotografen gingen ins Ausland und nahmen ihren Aufenthalt in Europa oder Amerika. Zu diesen können auch einige von denen gezählt werden, die die Auslöser der Veränderungen der Pressefotografie in der Zeit der Reformer gewesen waren. Ein anderer Teil der Fotografen ging nach Afghanistan.
Das Stadium der Stagnation dauert bis heute an.
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Javad Montazeri, Norwegen
Montazeri, geboren 1968, Bachelor in Fotografie, war u.a. von 2004-2009 im Iran Fotograf der New Yorker “World Picture News”-Fotoagentur sowie seit 1998 Herausgeber und Redakteur mehrerer (verbotener) Zeitschriften.
Seine Fotos wurden u.a. veröffentlicht in New York Times, Observer, The Guardian, Newsweek, Time, New Internationalist, The Sun, El Mundo, Der Spiegel, El Pais, Le Express, Marie Claire, Le monde, Herald Tribune, Figaro. Seit 1996 Fotoausstellungen im Iran und in verschiedenen europäischen Ländern. Er verließ im Jahr 2009 den Iran und lebt aktuell in Norwegen.
Eine seiner letzten Fotoausstellung war die Teilnahme an der Gruppenausstellung “Green Waves“ in Rom, 2010.
www.javadmontazeri.com
avadmontazeri.blogspot.com
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